Eine Reform der Notfallversorgung ist seit langem überfällig, um die strukturelle Überforderung der Notfalleinrichtungen durch sinnvolle Steuerung abzuwenden. Was wir brauchen, ist eine bedarfsgerechte und an den Interessen der Patientinnen und Patienten orientierte Notfallversorgung. Die Reform kann jedoch nur gelingen, wenn alle Beteiligten zusammenarbeiten, um eine effiziente, transparente und auf bundeseinheitlichen Kriterien basierende Angebotsstruktur zu erreichen.

Jörn Simon

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Leiter der TK-Landesvertretung Rheinland-Pfalz

Bundesgesundheitsminister Lauterbach hat mit der Einsetzung einer Krankenhauskommission im Mai 2022 bereits die zügige Aufnahme von Arbeiten an einer Reform der Notfallversorgung angekündigt. Am 16. Januar 2024 hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) nun Eckpunkte für eine solche Reform vorgestellt. Die Zeit drängt jedoch, denn sollte der vom BMG angekündigte Referentenentwurf einer Reform nicht bis Ende des ersten Quartals 2024 vorliegen, ist es fast unmöglich, dass ein Gesetz zur Reform der Notfallversorgung tatsächlich noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten kann.

Verbesserte Vernetzung zwischen Terminservicestellen und Rettungsleitstellen

Sehr zu begrüßen ist das im Eckpunktepapier formulierte Ziel einer stärkeren Strukturierung und damit bundesweiten Vergleichbarkeit der Notfallversorgung. Ein standardisiertes erstes Einschätzungsverfahren soll dazu beitragen, dass die Steuerung der Hilfesuchenden in die richtige Versorgungsebene gewährleistet wird, also in die stationäre Notaufnahme, in eine ambulante Not- bzw. Bereitschaftspraxis oder in die ärztliche Regelversorgung. Diese verbesserte Patientensteuerung soll unter anderem durch den Ausbau und die Stärkung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) (Rufnummer 116 117) sowie deren digitale Vernetzung mit den Rettungsleitstellen (Rufnummer 112) erfolgen. Durch die geplante Koordination der Notfallversorgung über die Rufnummern würde den Patientinnen und Patienten künftig die bisher oft schwierige Entscheidung abgenommen, ob sie direkt eine Notaufnahme anfahren oder in einer Praxis Hilfe suchen sollen. 

Sektorenübergreifende Behandlungsstruktur

Die Einrichtung Integrierter Notfallzentren (INZ) ist flächendeckend geplant sowie die Einrichtung Integrierter Notfallzentren für Kinder und Jugendliche (KINZ), wenn es die Kapazitäten zulassen. Die INZ und KINZ bestehen aus der Notaufnahme eines Krankenhauses, einer KV-Notdienstpraxis und einer zentralen Ersteinschätzungsstelle (der berühmte "gemeinsame Tresen"), die entscheidet, in welcher Einrichtung die betroffene Person behandelt werden soll. Aus TK-Sicht ist es unabdingbar, dass sich die Standortbestimmung von INZ und KINZ nach bundeseinheitlichen Kriterien und dem bevölkerungsbezogenen Versorgungsbedarf richtet. Dies ist im Eckpunktepapier jedoch nicht festgelegt.

Bezogen auf die Ersteinschätzungsstellen ist es vor allem wichtig, dass ein bundeseinheitliches Ersteinschätzungsverfahren entwickelt wird, das den medizinischen Behandlungsbedarf sowie die geeignete Versorgungsebene bestimmt. Der G-BA hat hierzu bereits im Juli 2023 bundeseinheitliche Regeln beschlossen. Das BMG hat diese Regeln jedoch - auch inhaltlich - beanstandet. Der G-BA hat daraufhin Klage gegen die Beanstandung erhoben. Der Ausgang ist noch offen. Es ist unbedingt notwendig, dass die Einigung auf ein bundesweit einheitliches Ersteinschätzungsverfahren erfolgt, da ansonsten keine bundesweit einheitliche Qualität in der Notfallversorgung erreicht werden kann. Meiner Meinung nach darf eine identisch verletzte Patientin oder ein identisch verletzter Patient nicht unterschiedlichen Versorgungsstufen zugewiesen werden. 

Fazit

Die Reform der Notfallversorgung steht schon sehr lange auf der politischen Agenda und es wird Zeit, dass sie endlich umgesetzt wird. Das aktuelle Eckpunktepapier gibt einen groben Rahmen für eine mögliche Reform der Notfallversorgung vor. Zahlreiche Punkte lassen noch viel Interpretationsspielraum offen. 

Sehr zu begrüßen ist, dass die Reformvorschläge eine verbindliche Zusammenarbeit der Notaufnahmen der Krankenhäuser mit den Kassenärztlichen Vereinigungen vorsehen, um eine bedarfsgerechte und an den Interessen der Patientinnen und Patienten orientierte Notfallversorgung zu gewährleisten. Insbesondere die geplanten INZ und die Vernetzung der Terminservicestellen und Rettungsleitstellen könnten dafür sorgen, dass die Notfallversorgung künftig insgesamt koordinierter abläuft. 

Wie diese verbesserte Vernetzung jedoch konkret finanziert werden soll, lässt das Eckpunktepapier offen. Hier liegt der Gedanke nahe, dass vonseiten der Politik die anfallenden Mehrkosten mit Mitteln aus der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gedeckt werden sollen. Es drohen also weitere Kosten im GKV-System. Mit Blick auf die Finanzen der GKV sollte bei der Umsetzung einer Notfallreform unbedingt darauf geachtet werden, dass nicht nur die Beitragszahlenden der GKV noch stärker finanziell belastet werden für Aufgaben, die alle betreffen.