Das Jahr 2023 war geprägt von einem harten Ringen zwischen Bund und Ländern um eine Krankenhausreform, ein Ergebnis ist noch nicht in Sicht. Auch bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens konnten keine großen Durchbrüche realisiert werden. Allerdings sind mit dem Digitalisierungs- und Gesundheitsdatennutzungsgesetz zwei Initiativen nun vom Bundestag verabschiedet worden, die einen enormen Schub für die digitale Gesundheit bedeuten können. 

Im nächsten Jahr sollten die begonnenen Prozesse in guten Ergebnissen münden, die für die einzelnen Akteure und die Selbstverwaltung einen verlässlichen Rahmen bilden und für Patientinnen und Patienten eine gute Gesundheitsversorgung auch in Zukunft gewährleisten.     

TK: Frau Mussa, welches Fazit ziehen Sie insgesamt für das Jahr 2023?

Nadia Mussa: Im Jahr 2023 wurden sehr wichtige Themen wie die Krankenhausreform und die Digitalisierung im Gesundheitswesen in Angriff genommen, die das Gesundheitswesen entscheidend und positiv weiterentwickeln könnten. Leider lief der Prozess um die Ausgestaltung der Krankenhausreform bislang zäh und ergebnislos. Die Digitalisierungsgesetze enthalten sehr gute Impulse und Regelungen zur Verbesserung des Gesundheitswesens. 

Nadia Mussa

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Leiterin der TK Landesvertretung Baden-Württemberg

Aus baden-württembergischer Perspektive war es ein Jahr, in dem der Vorsitz von Minister Lucha in der Gesundheitsministerkonferenz der Länder den Blick auf den Südwesten gelenkt hat. Es war alles andere als einfach, die Länderinteressen etwa bei der sehr komplexen Krankenhausreform zu bündeln und gleichzeitig die Dinge in Baden-Württemberg voranzubringen. Ich freue mich, dass er dennoch Zeit für viele Termine in Baden-Württemberg hatte und zum Beispiel bei unserer TK-DocTour mit dabei war.

2023 war ein Jahr, in dem die Umbrüche sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich deutlich sichtbar wurden.  Nadia Mussa

TK: Welche Entwicklungen im vergangenen Jahr waren herausfordernd, welche positiven Erkenntnisse nehmen Sie mit ins Jahr 2024?   

Mussa: 2023 war ein Jahr, in dem die Umbrüche sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich deutlich sichtbar wurden.

Der demografische Wandel und damit auch der Fachkräftemangel wurde dieses Jahr spürbar, in Baden-Württemberg gab es eine hausärztlich unterversorgte Region. Diese Lücke konnte zum Jahresende geschlossen werden, aber die künftigen Herausforderungen sind nun nicht mehr nur Theorie. 

Die Krankenhäuser behandeln weiterhin wesentlich weniger Patientinnen und Patienten als vor der Pandemie. Zwischen 2019 und 2022 ist hier ein Rückgang von 2,1 auf 1,9 Millionen zu verzeichnen. Hierfür gibt es viele Ursachen und Erklärungsansätze, letztlich wird der medizinische Fortschritt aber dazu beitragen, dass die stationären Fallzahlen eher weiter sinken werden, als wieder zu steigen. Hinzu kommen Herausforderungen durch steigende Energiekosten und Inflation. 

Der Klimawandel wirkt sich auch immer stärker auf das Gesundheitswesen aus. So trägt das Gesundheitswesen selbst zum CO2-Ausstoß bei und es muss viel investiert werden, um dieses nachhaltiger zu gestalten. Gleichzeitig wirken die Auswirkungen der Klimaveränderung auf die Gesundheit der Bevölkerung. Gerade in Baden-Württemberg mit den sehr hohen Temperaturen im Sommer, hatten viele Menschen gesundheitlich zu kämpfen

Obwohl auch im Bereich der Digitalisierung keine großen Fortschritte realisiert wurden, gibt es doch ein Beispiel, das wegweisend ist: Mittlerweile werden fast alle Heil- und Kostenpläne digital beantragt und in der Regel umgehend von den Krankenkassen genehmigt. Immer dann, wenn Digitalisierung unkompliziert funktioniert und für alle Beteiligten Vorteile bringt, setzt sie sich durch.

Immer dann, wenn Digitalisierung unkompliziert funktioniert und für alle Beteiligten Vorteile bringt, setzt sie sich durch.  Nadia Mussa

TK: Damit wären wir im kommenden Jahr angelangt. Wie sehen Ihre Erwartungen für 2024 aus?

Mussa: Ein dominierendes Thema wird die Umsetzung der Krankenhausreform sein. Ich hoffe, dass sich Bund und Länder auf eine umfassende Reform einigen. Denn die neue Vergütungssystematik macht die Kliniken finanziell unabhängiger von der Anzahl der vollstationären Behandlungen und wirkt so einem ruinösen Wettbewerb um Behandlungsfälle, ärztliches und pflegerisches Personal entgegen. Die Qualität der Versorgung würde auf einem einheitlichen Mindeststandard aufbauen und damit die Patientensicherheit stärken.

Zudem bieten regionale Gesundheitszentren die Chance, die starre Grenze zwischen ambulantem und stationärem Sektor aufzuweichen. Wichtig ist, dass die Zentren wirklich den Bedarf vor Ort abdecken und sektorenübergreifend mit stationären und ambulanten Behandlungsmöglichkeiten geplant werden.

Ich wünsche mir eine sektorenverbindende Versorgungslandschaft. Dafür können digitale Tools wie die elektronische Patientenakte entscheidend beitragen.

Eine zentrale Aufgabe für das kommende Jahr ist der Aufbau eines flächendeckenden digitalen Versorgungsnetzes. Nadia Mussa

Eine zentrale Aufgabe für das kommende Jahr ist der Aufbau eines flächendeckenden digitalen Versorgungsnetzes, das einen schnellen Wissenstransfer zwischen Kliniken sowie Arztpraxen ermöglicht. Nur mit weiteren wesentlichen Fortschritten bei der Digitalisierung kann die medizinische Versorgung effizienter und patientengerechter werden. 

Darüber hinaus sollte in 2024 erkennbar werden, was die Krankenhäuser mit den rund 550 Millionen Euro machen, die aus dem Krankenhauszukunftsfonds und vom Land für die Digitalisierung zur Verfügung gestellt wurden. 150 Kliniken in Baden-Württemberg haben Geld für 650 Maßnahmen erhalten. Ich hoffe sehr, dass dies zu spürbaren Verbesserungen für die Patientinnen und Patienten führt, vor allem über den Aufbau von Patientenportalen.

TK: Durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind die öffentlichen Haushalte stark unter Druck geraten. Mit welchen Folgen rechnen Sie für das Gesundheitswesen? 

Mussa: Schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts war das Finanzministerium sehr restriktiv, was die Zu-stimmung zu Mehrausgaben anging. Dies wird nun vermutlich noch strenger gehandhabt werden.

Zusätzliche Mittel, die eventuell für politisch gewünschte Projekte oder bei Kostensteigerungen anfallen, werden deshalb die Versicherten aufbringen müssen. Jetzt könnte sich rächen, dass mit dem vor rund einem Jahr in Kraft getretenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz keine strukturellen Probleme gelöst, sondern nur um ein Jahr verschoben wurden.

Es freut mich sehr, dass wir dennoch den Beitragssatz für unsere Versicherten stabil halten können.